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Vierter Blogeintrag. Krise.

Viel ist zur Zeit die Rede von der größten Krise seit 1945.

Die einen sind in ihren Aussichten pessimistischer, die anderen optimistischer bei ihrer Einschätzung, wie sich unser Leben in allen seinen Bereichen entwickeln wird. Und unser geschätzter Prof. Präsident hat ein sehr schönes, positives Bild unserer Einheit und unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts beschworen. Und dabei erfreulicherweise entgegen dem allgemeinen Trend dezidiert alle Menschen angesprochen, die hier leben. Chapeau! Meine Frau hat sich sehr gefreut.

Ist es Zufall, dass gerade in den Tagen, an denen wir dem Ende des zweiten Weltkrieges gedenken, die Bilder des Wiederaufbaus nach dem Krieg beschworen werden? Ich denke nicht. Und aus den zahlreichen Fernsehsendungen, die sich damit befassen, wissen wir, dass die Menschen damals tatsächlich viel zusammengeholfen und unglaubliches geleistet haben. Lotte Tobisch brachte das in einer dieser Sendungen zu des Aussage, dass man den wahren Charakter eines Menschen erst dann erkennt, wenn es ihm gut geht. Weil wenns ihm schlecht geht, ist jeder Mensch nett und freundlich.
Stimmt das? Sind wir netter wenn es uns schlecht geht und wir nichts haben? Ein bisschen was wird schon dran sein. Denn wenn es mir schlecht geht bin ich eher auf Hilfe anderer angewiesen und wenn es allen so geht wie mir, dann brauch ich auch auf niemanden neidig sein und wenn ich nix hab, dann brauch ich mich auch nicht fürchten, dass mir wer etwas wegnimmt.

Das ist ja überhaupt so eine interessante Beobachtung: Je größer das Haus, desto höher, undurchsichtiger, stärker der Gartenzaun. Das stimmt natürlich nicht in jedem Fall und ist pauschalisierend, aber ich traue mich zu sagen, dass es da eine gewisse Korrelation gibt. Schon Jesus hat ja gesagt: „Wahrlich ich sage euch, es ist wahrscheinlicher, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als das ein Reicher ins Himmelreich kommt.“ (Mk 10,25)
Der Mann, der da in dieser Szene zu Jesus kommt ist ein tugendhafter, frommer Mensch. Er tut alles, was ihm geboten ist. Aber was Jesus von ihm fordert ist zu viel für ihn: „Geh, und verkaufe was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben.“

Kein Reichenbashing möchte ich betreiben. Und wenn schon, dann gegen uns alle, denn in damaligen Maßstäben sind wir alle reich. Aber das ist nicht der springende Punkt und Jesus relativiert auch seine Aussage:
„Sie [die Jünger] aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? 27 Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.“

Puh. Glück gehabt. Wir sind nicht von vornherein alle verdammt, weil wir einen gewissen materiellen Reichtum unser Eigen nennen. Aber Jesus macht uns hier etwas deutlich: Es ist schwer sich von Dingen zu trennen. Und es ist gleich nochmal um vieles schwerer sich von seinem Lebensstandard zu verabschieden. Und nichts weniger verlangt ja Jesus von dem reichen Mann.

Es beeindruckt mich nachhaltig, dass es in der Geschichte immer wieder Menschen gegeben hat, die das gemacht haben. Ich denke da vor allem an das reiche Erbe (Vorsicht: Wortwahl!) der Eremiten in der Spätantike. Ich glaube aber, dass es Jesus um etwas anderes geht. Jesus ist radikal, im wörtlichen Sinne. Es geht ihm um die Wurzel (radix) des Problems, nicht um einen oberflächlichen Aktionismus.

Wo liegt diese Wurzel? Ich denke an Dinge wie Gier, Neid, Eifersucht, materielles Besitzdenken, aber das kommt ja alles irgendwo her. Der Mensch wird ja nicht als Neidhammel geboren. Und auch unser Streben nach materiellen Dingen, nach Einfluss, Prestige usw. kommt nicht aus heiterem Himmel.

Ich habe gerade Instagram entdeckt. Weil Facebook überaltert, wie unsere Gesellschaft. Und ich finds cool, es überfordert mich noch ein bisschen, aber ich mag die schönen Fotos. Es erinnert ein wenig an ein Fotoalbum, aber ein schier unendliches, von Millionen Menschen geteiltes Fotoalbum. Eine Prise Voyeurismus ist da schon dabei, das macht auch ein Stück weit den Reiz aus. Jedenfalls ist das doch ein Paradebeispiel für das oben gesagte: Da wird an allen Ecken und Enden optimiert was das Zeug hält um möglichst in gutem Licht dazustehen - buchstäblich nämlich, weil das beim Fotografieren ja auch wichtig ist. Und wenns nicht ganz sitzt, dann deckt der Filter deiner Wahl die Unebenheiten mit einem Mantel aus warmen Farben zu. Es wird Verglichen, voller Neid auf die Anzahl der Follower von anderen geschielt usw…

Wo ist sie also, diese Wurzel?

Ich denke, dieser gilt es nachzuspüren. Sie wird für jede*n ein bisschen woanders sein, glaube ich, weil jede*r eine eigene Geschichte hat. Und sie wird sich wohl auch nie ganz finden lassen. Der reiche Mann, war ja schon auf einer prima Spur, aber ganz hast nicht geklappt. Aber Jesus macht uns ja allen Hoffnung: Gott ist’s möglich. Um beim Bild der Wurzel zu bleiben: Gott kann mich umtopfen. Bzw. bin ich nicht so gern eine Topfpflanze, sondern möchte lieber in einen weiten Raum gepflanzt werden.

Für die Bewältigung unserer aktuellen und zukünftigen Krisen wär das meines Erachtens ein guter Ansatz.