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Siebenter Blogeintrag. Gastfreundlich.

Diesmal mach ich's mir leicht und teile mit euch den wesentlichen Teil meiner Predigt vom letzten Sonntang. Das war der 7. Sonntag nach Trinitatis und jetzt auch mein siebenter Blogeintrag, das passt ja ganz gut.

Die letzte Nacht war hart.

Buchstäblich. Er musste sie auf einem ausgetrockneten Feld verbringen, weil sich sonst nichts anderes finden ließ. Zu lange ist er jetzt schon unterwegs. Er hatte gehofft, dass er den Großteil der Strecke zügig bei gutem Wetter hinter sich bringen könnte. Es hat auch gut begonnen, die ersten zwei drei Tage gingen gut, aber dann hat es angefangen zu regnen und anschließend kam die Hitze und mit ihr die Moskitos. Verdammte Viecher. Es wird zwar wohl jedes Lebewesen seinen Platz haben auf dieser Welt und seinen Platz im Großen und Ganzen, aber Stechmücken? Welchen Sinn hat ihr Dasein, außer den, über schutzlose Wanderer herzufallen.

 

Drei Wochen ungefähr, seine Schuhe quittieren langsam auch ihren Dienst. Das letzte Mal halbwegs ordentlich waschen konnte er sich vor vier Tagen. Da kam er an einem Bach vorbei und hat sich einfach mal eine geschlagene Stunde hineingelegt, samt Gewand und allem, so wurden seine Sachen auch mal wieder einigermaßen sauber. Fast wäre er abgesoffen, weil er kurz eingenickt war. Wenn dieser vermaledeite Weg nicht bald einmal ein Ende nimmt, dann wird es mit ihm wohl bald ein Ende nehmen.

Warum war er überhaupt aufgebrochen? Langsam beginnt er an seinen Motiven zu zweifeln. War es sinnvoll gewesen? Naja, zuhause hatte er keines mehr. Das Wasser hatte alles weggespült. Da war nichts mehr und niemand. Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen zu gehen. Überall war es besser als dort, aber, naja.

 

Heute geht es ein bisschen besser. Er ist an einen Wald gekommen. In seinem Schatten ist es kühler. Der Boden unter seinen Bäumen ist angenehm weich. Es gibt einen guten Fußweg. An einem kleinen Bach kann er sich waschen und seinen Durst stillen. Aber Essen wäre gut. Das ist schon zu lange her.

 

Plötzlich schreckt er hoch. Er muss eingeschlafen sein. Jemand hat ihn wachgerüttelt. Wo ist er, er ist noch ganz betreten und orientierungslos. Ein älteres Gesicht blickt ihn aus wachen Augen ganz neugierig an. Mustert genau sein Gesicht, seine verdreckte Kleidung, seine Sachen. Tiefe Furchen ziehen sich durch dieses Gesicht. Sie zeugen von vielem Lachen, aber auch von tiefen Gedanken. Diese kleine, zierliche Person greift ihm unter die Arme, mit einer Kraft, die er nicht für möglich gehalten hat. Sie hilft ihm auf und nimmt seinen Rucksack. Damit marschiert sie voran, er kann gar nicht anders, als ihr nachlaufen, was ihn bei dem vorgelegten Tempo viel Mühe kostet.

 

Der Wald ist jäh zu Ende. Vor ihm erstreckt sich eine Siedlung. Lauter manierlich gepflegte Gärten, in deren Mitte sich recht ähnliche, blumenbehübschte Einfamilienhäuser erheben. Die Person steuert ein Haus am Rand dieser Siedlung an, die ihn ein bisschen an ein Potemkinsches Dorf erinnert. Interessant, was sich hinter diesen braven Fassaden wirklich befinden mag?

 

Das Haus der Alten wirkt nicht so gepflegt. Es liegt ein bisschen abseits. Der Garten grenzt an der einen Seite an den Wald, so als wäre er ein Teil des Gartens. Es sieht ... lebendig aus, passender könnte man es wohl nicht beschreiben.

Sie bittet ihn herein und schimpft gleich mal mit ihm, weil er nicht daran gedacht hat seine Schuhe auszuziehen. Ohne viele Umschweife bugsiert sie ihn ins Badezimmer und drückt ihm ein frisches Handtuch in die Hand. Als das heiße Wasser ihm über den Nacken rinnt entfährt ihm ein lautes Seufzen.

 

Als er nach einer Ewigkeit aus der Dusche steigt sind seine Kleider nicht mehr da. Dafür liegt frische Wäsche auf einem Hocker bereit. Sie ist schon etwas abgetragen, aber sauber und riecht gut - ein bisschen nach Lavendel, auch wenn er nicht hätte sagen können, was es war. So gut und so menschlich hat er sich schon lange nicht mehr gefühlt.

 

Von irgendwo wird nach ihm gerufen. Er folgt der Stimme und findet sich in der Küche wieder. Auf einem Tisch steht ein Topf aus dem es herrlich dampft und duftet. Zwei Teller stehen bereit. Er nimmt Platz und seine Wohltäterin teilt das Essen aus. Er will sich gleich darauf stürzen aber sie hält ihn mit einer Handbewegung zurück. Sie legt die Hände in den Schoß und murmelt etwas, dann blickt sie ihn an und nickt. Er darf essen. Der Geschmack, die Gefühle, die ihn dabei überkommen, sind nicht mit Worten zu beschreiben. Er isst begierig und merkt auf einmal wie es ihm heiß die Wangen herunterläuft. Er weint, so als wäre ein Staudamm in ihm zerborsten. Er weint und keine Kraft der Welt könnte seine Tränen stoppen. Um sein Zuhause, das es nicht mehr gibt, das Leben das er verloren hat. Er weint vor Glück, weil er sich schon so lange nicht mehr wie ein menschliches Wesen gefühlt hat, weil ihn noch nie in seinem Leben eine Mahlzeit so satt gemacht hat.

 

1 Bleibt fest in der brüderlichen Liebe. 2 Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. 3 Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil auch ihr noch im Leibe lebt.

Hebr 13, 1-3