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Zukunft der Kirche? Kirche der Zukunft!

Predigt aus dem Festgottesdienst zum 150. Jubiläum unserer Pfarrgemeinde:

1.

Wie feiern wir eigentlich in 150 Jahren unsere Gottesdienste?

Hat die Kirche überhaupt Zukunft?

Reiten wir nicht längst schon einen toten Gaul? Und merken es in unserer Haltung des Bewahrens einfach nicht? Wie die Affen von Nippon: Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Oder tun wir uns einfach schwer mit dem Ende, weil was wird danach kommen? Hat die Institution, die ja immer von der Hoffnung auf ein Morgen spricht, dieses morgen aus dem Blick verloren weil das heute so prekär erscheint und Angst macht?

Wenn man Dinge aufhört, dann kommen sie nicht wieder. Und deswegen klammern wir uns an das bestehende, aus Angst, dass danach nichts mehr kommt? Verraten wir uns da nicht selbst und die Hoffnung von der wir predigen?

Verwalten wir also nur den Untergang eines alten Tankers und versuchen diesen so schmerzfrei wie möglich zu gestalten? Quasi Palliativ Patient Kirche.

Manchmal kann man schon dieses Gefühl haben. Dann feiern wir heute also noch einmal groß den 150. Geburtstag der alten Dame, weil wer weiß wie lange sie es noch macht.

2.

Und von welcher Kirche reden wir eigentlich? Von unserer hier, von der evangelischen Kirche in Österreich, der evangelisch-lutherischen Kirche insgesamt, der römisch-katholischen Kirche… Es gibt ja ganz schön viele Kirchen. Der Olivenbaum - um das Bild des Paulus aufzugreifen - hat sich ganz schön weit verzweigt.

Und reden wir von der Institution Kirche? Also der Mensch gemachten Einrichtung, die sich ganz ursprünglich zurückführt auf die Anfänge in Jerusalem. Da ist auf dem Weg bis hier herauf in unsere Zeit ganz schön viel passiert. Viel gutes! Aber manchmal frage ich mich ehrlich ob das auch die Mehrheit ausmacht.

Macht ist ja so ein Wort bei dem man und wohl noch viel mehr Frau leicht ins grübeln kommt und die Falten zwischen den Augen immer tiefer werden. Da müssten wir dann sagen, der Untergang hat eigentlich schon mit der konstantinischen Wende im Jahr 313 n. Chr. begonnen - in hoc Signum vinci- in diesem Zeichen wirst du siegen.

Die Geburt der folgenschweren Union zwischen Thron und Altar, Staat und Kirche.

Also der religiösen Gruppe, die eigentlich ganz bewusst nicht dem Kaiser gehuldigt hat und dafür lange verfolgt wurde. Weil es gibt nur einen Herrn und der sitzt nicht in einem Thronsaal und ansonsten sind wir alle gleiche unter gleichen.

Oder reden wir von der Kirche - Ekklesia - die Jesus gemeint hat? Für die er seine Schülerinnen und Schüler ausgesandt hat in alle Welt um den Menschen zu berichten, was er ihnen beigebracht hat. Das Reich Gottes mitten unter uns!

3.

Was bedeutet das, Ekklesia?

Einerseits ist Ecclesia eine Virtual Reality Theater Aktion im Ars Elektronica in Linz. Konzipiert vom Staatstheater Augsburg. Komplett mit VR Brille wird man Teil einer digitalen Stadt, für jeden für jede eine eigene Erfahrung, ganz individuell, je nach dem, was man sich aussucht, die dann im Laufe der Zeit in Theaterszenen aufgelöst wird.

Andererseits meint Ecclesia die Vollversammlung in der griechischen Polis. In der attischen Demokratie ist sie der Souverän.

Es geht also um Gemeinschaft. In diesem Sinne ist die Ecclesia auch christlich zu verstehen. Sie ist der Leib Christi, die Gemeinde, die Gemeinschaft der Heiligen, so wie es im Glaubensbekenntnis heißt. Das bedeutet, die Kirche, das sind die Gläubigen selbst. Nämlich durch alle Zeiten hindurch.

Es ist eine innere Größe, eine innerliche Kirche, die nur daraus entsteht, dass Menschen Jesus nachfolgen. Mehr braucht es gar nicht.

Gleichzeitig ist sie aber eben auch immer äußere Kirche. Also die die von außen sichtbar wird. In Organisation, durch Vertreterinnen und Vertreter, die erkennbar sind - deshalb der Talar. Sie ist Ort, in Kirche und Pfarrhaus und Schulen nicht zu vergessen; aber auch in Krankenhäusern, Suppenküchen, Cafés, und so weiter.

4.

Jesus sagt: das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; man wird auch nicht sagen: siehe, hier! Oder: da! Denn seht, das Reich Gottes ist mitten unter euch. Lukas 17,20f.

Das Reich Gottes mitten unter uns… In meinen Ohren ist das einer der schönsten Sätze des ganzen neuen Testaments. Es ist schon sichtbar geworden in der Welt. Die Basileia thou theou. Da steckt der Basileus drin, der König. Und auch die Basilika, der Thronsaal. Aber eben nicht für einen weltlichen Herrscher, sondern Gott alleine gebührt die Ehre - es ist sein Reich, dass schon mitten unter uns beginnt.

Dahinter steckt die Hoffnung auf ein gutes Leben. Das Buen Vivir, wie es im Andenraum heißt. Und dort Eingang gefunden hat in die Verfassungen Ecuadors und Boliviens. Ein gutes Leben für alle.

Hier ist nicht Jude noch Grieche; hier ist nicht Sklave noch Freier; hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Galater 3, 28.

Das Reich Gottes ist ein Ideal. Aber kein Ideal das Utopie bleibt - also nicht-Ort, der nur gedanklich existiert - sondern Ideal, dass sich immer wieder neu ereignet; im Miteinander. Mitten unter uns eben.

Deshalb ist das einer der schönsten Sätze in meinen Ohren. Weil hier steckt schon alles drin. Alles das, wofür Jesus gelebt hat und gestorben und auferstanden ist.

I’ve Been to the Mountain top! And I have seen the promised Land! Ruft Martin Luther King Junior den Menschen am 3. April 1968 in Memphis, Tennessee zu. Seine letzte Rede. Sei großer Traum hat schon Gestalt gewonnen - ist sichtbar geworden.

5.

Ja, Kirche hat Zukunft, um meine Frage vom Anfang zu beantworten. Davon bin ich ganz überzeugt. Kirche in diesem Sinne der Ecclesia Jesu wird es immer geben. Weil sie nicht unsere ist. Und weil sich immer wieder Menschen ansprechen, anrühren und verändern lassen und gemeinsam versuchen werden das Reich Gottes mitten unter uns sichtbar zu machen und ihm Gestalt zu geben. Und es wird nicht perfekt sein, so wie nie etwas Menschen gemachtes perfekt sein kann, denn unser Wissen ist und bleibt Stückwerk.

Und ja, damit hat auch die Institution Kirche Zukunft. Weil ganz zwangsläufig die sichtbare aus der unsichtbaren, die äußere aus der inneren Kirche folgt. Aber wie das genau aussehen wird? Keine Ahnung!

Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich alles ändern muss. Aber dann denke ich wieder, nein, das stimmt ja so auch nicht. Es gibt so viel schönes und gutes in unseren Kirchen, dass wir unbedingt erhalten sollten. Aber vieles muss sich ändern, nicht von heute auf morgen, das geht nicht, aber Schritt für Schritt. Und es wird überall ein bisschen anders aussehen müssen, je nach Situation. Und nicht von oben verordnet. Aber es ist jetzt und hier nicht der richtige Ort das ganz auszubreiten. Wir sollten aber gemeinsam darüber ins Gespräch kommen.
Übrigens hat Lena im neuen K&Q einen wunderbaren Leitartikel dazu geschriebenen, wo sie uns auch genau dazu einlädt: am Dienstag den 13. Jänner!

Aber was ich weiß ist – auch wenn das von außen betrachtet vielleicht vermessen erscheint – wir sind wichtig und es braucht uns. Nicht nur für uns selbst – das auch und das ist schon viel. Aber eben auch für alle anderen. Als aktives Gegenmodell, als klitzekleines, sehr fehlerhaftes Stück vom Himmel auf Erden – enthoben von Leistungsdenken und dem Zwang zur Selbstoptimierung.

6.

Ein bekannter Journalist hat einmal geschrieben, dass in Österreich die allermeisten Menschen das Vaterunser auswendig kennen. Selbst wenn sie überhaupt nicht kirchlich sozialisiert sind. Aber im Gegensatz dazu, kennt niemand die europäische Menschenrechtskonvention, schon gar nicht auswendig. Dabei ist sie so etwas, schreibt er, wie das säkulare Vaterunser. Und ich finde da ist was dran. Aber ich bin froh, dass so viele das Vaterunser kennen, denn in der europäischen Menschenrechtskonvention steckt genau dieser Geist, diese Haltung die uns im Vaterunser begegnet: die Würde des Menschen ist unantastbar. Ganz egal, ob ich jetzt Bürgermeister der Stadt Steyr bin; oder ein alter, dementer Mensch; oder Insasse im forensisch therapeutischen Zentrum Garsten. Alle haben wir die gleiche Würde. Sie ist uns von Gott geschenkt.

In einer Zeit, in der diese Würde immer mehr in Frage gestellt und Menschen abgesprochen wird – aus politischem Kalkül, oder wirtschaftlichen Interessen – da ist dieser Geist umso wichtiger.

Da braucht es jeden einzelnen Menschen, der in diesem Geist handelt, jeden einzelnen Gläubigen, jede einzelne Gemeinde aber auch besonders die Institution Kirche. Als laute Stimme für die Würde jedes einzelnen.

Lasst uns alle zusammen diese Kirche sein. Ich hab zwar noch immer keine Ahnung, wie sie aussehen wird in 150 Jahren. Aber lasst uns nicht aus Angst davor, irgendwas zu verlieren, den Kopf in den Sand stecken und einfach nichts tun. Das wird nicht funktionieren.

Wir brauchen keine Angst davor haben, was einmal sein wird. Lasst uns lieber miteinander ganz hoffnungsvoll einen Schritt vor den anderen setzen. Den Fußspuren folgend, die Jesus schon gesetzt hat. Es gibt dazu ein ganz wunderbares Bild im Markusevangelium, das wir uns mitnehmen dürfen:

4,30 Und er sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden? 31 Es ist wie mit einem Senfkorn: Wenn das gesät wird aufs Land, so ist’s das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden; 32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, sodass die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können.