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Nach Hause

Rut 1

Noomi stand an der Tür und sah hinaus in die Abendsonne. Tränen liefen ihr übers
Gesicht. „Elimelech“, dachte sie „Wie sehr würde ich jetzt eine Umarmung von dir
brauchen!“ Aber ihr Mann war schon lange tot und jetzt waren es auch ihre Söhne. Nur sie
und ihre Schwiegertöchter waren noch übrig.
Nichts war mehr übrig von ihrer Hoffnung, als sie vor vielen Jahren mit ihren Söhnen von
Bethlehem in Juda aufbrachen und nach Moab kamen, weil es in Bethlehem nichts mehr
zu essen gab. Noomi erinnerte sich daran, wie sie alles, was auf den Wagen passte
zusammenpackten und aufluden. Arm waren sie nicht gewesen, nein, sicher nicht. Aber,
wenn es nichts zu essen gab, so konnte man sich auch nichts kaufen, so war das eben.
Für ihre Söhne war es ein großes Abenteuer aus Bethlehem fortzugehen in ein ihnen
unbekanntes Land. Für Noomi war es nicht so leicht, sie musste ihr ganzes Leben, ihre
Familie und ihre Freunde zurücklassen.
In Moab mussten sie sich dann erst ein neues Leben aufbauen. Und als das geschafft war
starb Elimelech. Das traf Noomi hart. Ihre Söhne waren ihr Trost. Später heirateten ihren
beiden Söhne Frauen aus Moab und Noomi freute sich über ihre kleine Familie. Und nun,
nun waren auch ihre Söhne tot und nur mehr ihre Schwiegertöchter Orpah und Rut waren
ihr geblieben.
Langsam ging die Sonne unter, Noomi war kalt, sie ging ins Haus und legte sich schlafen.
Am nächsten Tag traf sie zwei Frauen auf dem Markt. „Hast du schon gehört, Noomi?“
fragte die eine. „Was soll ich gehört haben?“ antwortete Noomi. „In Juda gibt es wieder zu
Essen, mehr als genug!“ sagte die zweite Frau. „So hat Gott meinem Volk wieder Nahrung
geschenkt“, dachte Noomi bei sich. „Ich danke euch für diese Nachricht“, meinte sie zu
den Frauen, diese nickten ihr freundlich zu. Noomi aber ging nachdenklich nach Hause.
„Was hält mich denn noch hier?“, dachte sie. „Ich habe niemanden mehr, vielleicht ist es
gut, wenn ich heimgehe.“
Noomi dachte noch eine Weile darüber nach und schließlich beschloss sie zurück nach
Betlehem zu gehen. Sie sagte zu Orpah und Rut: „Nun, wo ich allein bin und es in
Betlehem wieder zu essen gibt, möchte ich gern wieder dorthin zurückgehen.“ - „Wir
begleiten dich“, meinten beide.
So packten sie das bisschen, was sie hatten und gingen los. Aber bald blieb Noomi stehen
und sah ihre Schwiegertöchter an. „Ihr zwei solltet besser wieder nach Hause gehen zu
euren Familien. Ihr seid noch jung, ihr könnt doch noch einmal heiraten! Weil ihr mir und
meinen Söhnen so viel Liebe geschenkt habt soll Gott, der Allmächtige, euch segnen.“ Sie
küsste sie zum Abschied und alle drei weinten. „Nein“, meinten Orpah und Rut. „Wir wollen
bei dir bleiben.“ - „Aber jetzt seid doch vernünftig. Ich habe nichts mehr, kein Geld, keine
Söhne, die ihr heiraten könnt, ich selbst bin zu alt um nochmal zu heiraten. Kehrt um! Ich
bin müde, alt und traurig, was wollt ihr schon mit mir? Geht heim und sucht euch neue
Männer und werdet wieder glücklich!“ Da weinten sie noch lauter und Orpah küsste Noomi
und ging zurück, Aber Rut wollte Noomi nicht verlassen. „Schau“, meinte Noomi. „Orpah
ist zurück gegangen zu ihrem Volk und ihrem Gott, das solltest du auch tun!“ - „Nein, das
will ich nicht“, entgegnete Rut ihr. „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Dein Volk ist
mein Volk und dein Gott ist mein Gott! Ich werde dich nicht verlassen!“ - „Gut, dann komm
mit, wenn es dir so ernst ist!“ Und die zwei Frauen gingen weiter. Ein ganz klein wenig war
Noomi auch froh, dass sie nicht allein war.
Als sie nach einer beschwerlichen Reise in Betlehem ankamen sorgten sie dort für helle
Aufregung. „Sagt mal, ist das nicht Noomi? Ganz allein? Nur mit einer jungen Frau, einer
Fremden!“ riefen die Frauen. „Nennt mich nicht mehr Noomi“, meinte diese. „Nennt michlieber Mara, das heißt „bitter“ und passt besser zu mir als Noomi, das „angenehm“ heißt.
Bitter bin ich, weil ich alles verloren habe. Gott hat mir nichts gelassen!“ Da schwiegen die
Leute betroffen.
So kam Noomi mit Rut nach Betlehem; gerade zu der Zeit, als die Gerstenernte begann.