Seite wird geladen

Fünfter Blogeintrag. Grüppchenbildung.

Langsam geht also alles wieder los.

Gastronomie, Kirche, Schule… nur für die vielen Kulturschaffenden in Österreich sieht es immer noch düster aus. Und das in einem Land, das mit seiner großen und reichhaltigen Kultur Werbung macht - da passt was noch nicht ganz, aber vielleicht wird das ja jetzt besser. Leider ist unsere Kirche so klein, sonst hätten wir die eine oder den anderen Künstler einladen können in einem Gottesdienst aufzutreten.

Aber jetzt, wo langsam alles wieder los geht und wir in der glücklichen Situation sind, dass wir wirklich nicht mehr nennenswert viele Corona Fälle in Österreich haben - hier, wo ich grad bin und diesen Blog schreibe, im Bezirk Deutschlandsberg, gibt es keinen einzigen Fall, da macht sich eine gewisse Zwiespältigkeit bemerkbar. Da gibt es die eine Gruppe, die in großer Angst vor einer möglichen zweiten Welle lebt und sich übereifrig an alle Vorgaben hält; und dann gibt es auf der anderen Seite die Gruppe, die alle Maßnahmen sehr kritisiert und jetzt meint, das sei alles ein Blödsinn und Beschränkungen brauchen wir keine. Und alle, die sich nicht der einen oder anderen Gruppierung zugehörig fühlen sind verunsichert und wissen nicht, wem sie jetzt glauben sollen. Weil natürlich, gut klingende Argumente gibt es auf allen Seiten.

Das erinnert mich an einen Vortrag über Søren Kierkegaard Link, den ich vor kurzem gehört habe. Kierkegaard (* 5. Mai 1813 in Kopenhagen; † 11. November 1855 ebenda), war ein dänischer Philosoph und Theologe, der das philosophische Nachdenken für die Zukunft sehr stark geprägt hat. Aufgewachsen ist er in einem sehr streng pietistischen Haushalt (pietas = Frömmigkeit) und studierte Philosophie und protestantische Theologie in Kopenhagen.
In dem Vortrag würden drei Strömungen beschrieben: die einen wähnen sich am Ziel der Geschichte angekommen - d.h. die Gesellschaft ist fertig entwickelt, es gibt eine friedliche Ordnung, Kultur und Christentum sind in perfektem Zusammenspiel… besser wird’s nicht mehr und da bleiben wir jetzt. Dann gab es zu der Zeit schon historisch-kritische Bibelexegese, die vieles hinterfragt hat und auch einige sehr radikale Vertreter davon. Und es gab natürlich auch die Gruppe, die jedes Wort der Bibel als absolute, unverrückbare und notwendige göttliche Wahrheit geglaubt hat.
Das besondere: Kierkegaard kannte die alle gut. In letzterer ist er aufgewachsen, die erste hat er v.a. in seiner Zeit in Berlin kennengelernt und die zweite im Theologiestudium. Er kommt jetzt auf einen wirklich genialen und eigentlich sehr einfachen Gedanken, nämlich dass alle drei Gruppen genau gleich sind. Jede Gruppe hält ihre Sicht der Wirklichkeit für die einzige, unumstößliche Wahrheit und alle anderen sind Trotteln.

Genau so, hab ich oft das Gefühl, ist es heute auch. Wir igeln uns in unseren Blasen ein und befüttern unsere Meinungen und Vorurteile immer wieder neu mit dem, was wir eh schon immer gewusst haben. Wir vergewissern uns immer wieder aufs neue unserer Selbst und unserer Sicht auf die Wirklichkeit und alle, die diese nicht teilen, die nicht in unserer Blase herumschwirren, sind das Böse, oder Verbreiter gefährlicher Verschwörungstheorien.
Vielleicht tät’s uns manchmal ganz gut, wenn wir uns die Blase ein bissi anpieksen lassen und uns mit anderen Meinungen und Weltanschauungen konfrontieren. Aber natürlich, dazu muss ich ja aus meiner Comfort-Zone heraus und lass mich vielleicht sogar verunsichern.


Beim Jesus hats sowas ja auch schon gegeben. Das Pharisäer-Bashing, das uns immer wieder in den Evangelien begegnet, gibt ja beredt Zeugnis davon, dass das keine Erfindung der Neuzeit ist.

Was hätte Jesus uns in der jetzigen Situation geraten?

Wahrscheinlich sowas wie: Liebet eure Feinde! oder Der Sabbath ist um des Menschen Willen gemacht, nicht der Mensch um des Sabbath Willen!

Und das ist doch mal ein guter Rat, weil es geht ja nicht darum, wer recht hat und wer ein gefährlicher Verschwörungstheoretiker ist. Sondern schlicht und ergreifend darum, aufeinander zu achten und rücksichtsvoll zu sein, wie beim Ährenraufen am Sabbath. Wer Hunger hat muss essen, auch wenn ein Gesetz das vermeintlich verbietet.
Das könnte eine der großen positiven Lehren aus dieser ganzen Misere sein, dass mein Tun immer auch Auswirkungen auf die Menschen um mich herum hat und dass es meine Verantwortung ist, darauf Acht zu geben.

Zum Schluss noch ein verrückter Gedanke um die eigene Meinungsblase ein bisschen durchzulüften und sich in positiver Weise verunsichern zu lassen: Der Jesus hat noch viele so schlaue und auch zum Nachdenken anregende Dinge gesagt. Die kann man lesen.