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Erster Blogeintrag - Ostermontag.

Heute ist es genau ein Monat her, dass wir an einem Freitag, den 13. zu einer Telefonkonferenz zusammengekommen sind und als Presbyterium entschieden haben, dir Kirche zu schließen und alle Veranstaltungen abzusagen.
Ich kann mich erinnern, dass das gar nicht so traurig war, eher aufregend, neu und energievoll. Es war sofort ein großes Verantwortungsgefühl zu spüren und es sind sofort Ideen aufgekommen, wie man jetzt versuchen könnte, Kirche zu sein.

Seither ist viel Zeit vergangen. Heute ist Ostermontag. Und jetzt zu Ostern habe ich mich zum ersten Mal ein bisschen alleine gefühlt. Ostern ist mein Lieblingsfest. Nicht nur theologisch, das auch, weil es immer wieder eine spannende Herausforderung ist, das, was das Herz fühlt, in vernünftige Worte zu transformieren. Aber vor allem ist Ostern immer Familie. Bis ich so 12/13 Jahre alt war, waren wir zu Ostern immer bei meiner Uroma, am Karsamstag. Sie war die Matriarchin der Familie meiner Mutter, eine kluge, liebenswürdige und selbstständige Frau. Sie wurde 1906 in Wien geboren, zog dann irgendwann schon früh aufgrund der Kriegswirren des zweiten Weltkrieges auf einen Hof in die Oststeiermark. Dort lebte sie dann  bis zu ihrem friedlichen Abschied aus dieser Welt mit 97 Jahren. Die Osterfeste dort, mit Onkeln und Tanten, Osterfeuer, Nesterlsuche und einem unglaublich reich gedeckten Ostertisch werden meine Vorstellung von dem, wie Ostern sein soll immer bestimmen.
Heuer also zum ersten Mal ohne großes Familienfest. Wir haben es uns schön gemacht, es war ein feiner Tag, aber es hat uns trotzdem melancholisch zurückgelassen.

Um ehrlich zu sein habe ich die Idee, einen Blog zu schreiben, von meinem lieben Papa  stibitzt. Der schreibt seit Beginn der Corona Krise täglich einen Blog auf der Homepage seiner Gemeinde zu ganz unterschiedlichen Themen. So regelmäßig werd ich das nicht machen, aber doch, die Idee, euch alle an meinem neuen Alltag - wenn man von Alltag reden kann - teilhaben zu lassen und verschiedene Themen aus einer theologischen Perspektive zu betrachten, gefällt mir sehr gut.

Wie sieht mein Alltag jetzt also aus?
Ich habe auf jeden Fall mehr Zeit für meine Familie, das finde ich sehr schön. Dazu war die neue Homepage so weit fertig zu machen, dass sie online gehen kann - sie ist natürlich noch nicht ganz fertig und mich beschleicht das Gefühl, dass sie das nie wirklich sein wird. Ein YouTube-Kanal musste eingerichtet werden und die OnlineGottedienste brauchen auch ihre Zeit - Jetzt gerade zu Ostern haben wir vier Gottesdienste/Andachten gemacht, eine gemeinsam mit den Pastoren der Baptisten, Mennoniten und der FCG. Dazu hab ich noch Schule, inklusive Teamsitzungen. Das wird alles über eine ganz praktische Plattform erledigt, auf der wir gut über Video telefonieren können. Und auch im Presbyterium reden wir so viel miteinander wie nie zuvor. Wir haben jetzt jede Woche eine Sitzung über Telefon oder Internet. Das ist wirklich schön, aber auch um ehrlich zu sein langsam etwas mühsam - ich freu mich schon, wenn das wieder im echten Leben geht, ich denke, dann werden wir die Sitzung in ein Lokal verlegen. Viele Briefe waren zu versenden, an alle im Jungscharalter und an alle ab 70. Das waren insgesamt über 450. Und dann nochmal in der Osterwoche an alle ab 60. Und Ideen gibt es genug, was gut ist, weil wir möchten ja in Kontakt bleiben!
Es gibt also genug zu tun. Am Anfang dachte ich, ich hätte jetzt Zeit für alles, was sich bisher nie ausgegangen ist, aber naja.

Ich will nicht jammern. Ich bin sehr dankbar, dass ich euer Pfarrer sein darf. Ich brauche mir keine Gedanken über unsere finanzielle Situation zu machen, ich habe viele schöne Aufgaben zu tun und wir als Familie haben viel Platz, um uns zu bewegen. Wir merken immer mehr, wie privilegiert wir sind und denken an alle, die nicht jeden Tag in den Garten können.

Das ständige zu Hause sein bringt es mit sich, dass ich mir alles viel genauer ansehe. Das ist gerade jetzt im Frühling ein echtes Geschenk! Tulpen in den prächtigsten Farben gehen gerade überall auf, der Blutahorn neben dem Seiteneingang geht geradezu verschwenderisch mit seiner Farbenpracht um, es ist die reine Freude. Für Lisa leider nicht so sehr wie für mich, denn sie ist Allergikerin, da hat sie es gerade schwer.
Bei meinen Streifzügen über das Gelände ist mir auch wieder einmal unser Kriegerdenkmal ins Auge gestochen. Besonders das Denkmal zum zweiten Weltkrieg löst bei mir großes Unbehagen aus. Diese Glorifizierung eines Heldentodes, die noch dazu jesuanisch legitimiert wird, empfinde ich als nichts weniger als blasphemisch. Und ich Spüre einen großen Drang, ein behelfsmäßiges Hinweisschild anzubringen. Schon vor Ostern habe ich mir Gedanken zu einem kommentierenden Gedicht gemacht, das ich gerne mit euch teile:

Welch sinnloses Opfer bleibt uns zu beklagen,
Nicht Ruhm, nicht Ehre gibt es zu tragen.
Nur Trauer und Ohnmacht vor all diesem Grauen,
Woher kam all das Böse, woran kann man noch glauben?

Und als Antwort auf diese Frage ein biblisches Zitat aus Hos 6,6:

    „Denn ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht         am Brandopfer.“

Es geht mir also darum deutlich zu machen, dass die gefallenen Soldaten keine Helden sind, die mutig in einen gerechten, heiligen Krieg gezogen sind, um ihre Familien vor einem großen Feind zu beschützen. Es gibt keinen gerechten Krieg und schon gar nicht darf der Glaube als Legitimierung herangezogen werden. Die Gefallenen waren Opfer eines totalitären Unrecht- und Vernichtungssystems, das die jungen Männer wie Kohle in den Hochöfen ihrer Kriegsmaschinerie verheizt hat. Tod, Elend und schwere Traumata, das ist alles, was es gebracht hat - und Autobahnen.
Gerade in Steyr haben wir mit unserer Industrie ein vielschichtiges Erbe aus dieser Zeit. Ein Erbe, mit dem wir behutsam und ehrlich umgehen müssen.
    Wehret den Anfängen!

Ostern liegt hinter uns: Jesus hat den Tod auf sich genommen. Und egal welcher theologischen Tradition, welcher Frömmigkeit man sich zuordnen möchte (vor solchen Zuordnungen - besonders anderer - würde ich sehr abraten!), Jesu Tod war kein gerechtes Opfer. Die Menschen sind verantwortlich für Jesu Tod.
Aber Gott hat etwas Gutes daraus gemacht. Das Leben besiegt den Tod. Die Liebe triumphiert über den Hass. Ein und für alle Mal.

Was können wir Gutes aus der Vergangenheit machen? Was können wir daraus lernen? Was können wir besser machen? Das, so denke ich, ist unsere Aufgabe, als Menschheitsfamilie. Und, ohne sagen zu wollen, wir wären so viel besser, denn das sind wir ganz sicher nicht, gerade als Christinnen und Christen. Wir durften schließlich Ostern erleben, denn:

Jesus lebt.