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Der zwölfjährige Jesus im Tempel

(Lukas 2, 41-52)


Maria lächelte glücklich in sich hinein. Sie beobachtete Jesus, wie er mit seinen Freunden vor der Reisegruppe herlief. Als sie gestern Abend ihre Sachen für die Reise nach Jerusalem gepackt hatten und sich unterhielten, was sie wohl alles erleben würden, war ihr aufgefallen, wie aufgeregt er war. Er freute sich sehr, dass er nun mit zwölf Jahren alt genug war, um in Jerusalem gemeinsam mit ihnen das Passahfest zu feiern.
Maria hielt ihr Gesicht in die Sonne, ein leichter Wind strich ihr um die Nase. Passah, eine Woche lang feiern und sich daran erinnern, dass Gott Israel aus Ägypten geführt hat. Dass Gott ihr starker Befreier war, der mit der Not und der Unterdrückung in Ägypten Schluss gemacht hat.
Und nun war Jesus also alt genug um mitzugehen. Maria blickte zu Josef und lächelte ihm zu. Dieser nahm kurz ihre Hand und drückte sie, ganz so, als wüsste er, worüber sie gerade nachdachte.
Nach einer langen Reise kamen sie endlich in Jerusalem an. Jesus konnte es kaum erwarten in den Tempel zu gehen. Endlich war er alt genug für die Bar Mizwa (das ist so ähnlich wie für uns die Konfirmation) und durfte in den Tempel, um sich darauf vorzubereiten.
Wie das so ist, wenn etwas schön ist, dann verfliegt die Zeit wie im Nu. So war es auch diesmal. Viel zu schnell war es Zeit für die Heimreise. Jesus konnte sich nur ganz schwer vom Tempel losreißen. Als er dann endlich zu seinen Eltern und der Reisegruppe gehen wollte, konnte er sie nicht mehr finden. Was sollte er jetzt tun? Da war guter Rat teuer, aber schließlich ging er zurück zum Tempel. Zum Haus seines Vaters. Das war der beste Ort um Rat und Hilfe zu suchen.
Als die Reisegruppe zurück nach Nazareth aufbrach konnten Maria und Josef Jesus nicht sehen. Aber das machte ihnen keine Sorgen. Sicher war er mit seinen Freunden unterwegs. Nach dieser spannenden Woche hatten sie sicher viel, worüber sie sich austauschen wollten.
Auch Maria hing noch ihren Gedanken nach. Sie feierte gern das Passahfest. Das war schön. Aber nach einer Woche in einer großen Stadt mit so vielen Menschen freute sie sich auch schon wieder auf Nazareth. Und natürlich freute sie sich darauf, ihre anderen Kinder wieder in die Arme zu schließen.
Es wurde langsam Abend und alle fingen an, sich ein Nachtlager zu richten. „Josef, holst du bitte Jesus. Ich richte uns ein Abendessen her“, rief Maria Josef zu und begann ihren Proviant auszupacken.
Sie hatte schon Feuer gemacht, saß davor und wunderte sich, wo Josef und Jesus so lange blieben, als Josef außer Atem zurückkam. „Ich kann ihn nicht finden“, sagte er mit erstickter Stimme. Maria wurde weiß im Gesicht. „Was heißt das? Du kannst ihn nicht finden? Er muss doch wo sein.“ - „Nein, er ist weder bei seinen Freunden, noch bei unserer Familie.“ Maria wurde es vor Schreck ganz kalt um ihr Herz. Sie sprang auf. „Lass uns nochmal gemeinsam suchen!“
Aber sie fanden ihn nicht. Maria hatte mittlerweile große Angst. „Wir müssen zurück nach Jerusalem. Wir müssen ihn suchen!“ Josef nickte nur grimmig. Auch er hatte mittlerweile Angst um Jesus. Eilig packten sie ihre Sachen zusammen, gaben ihrer Familie Bescheid, dass sie zurückgingen um Jesus zu suchen und liefen los.
Ja, sie liefen. Solche Angst hatten sie um ihr Kind. Maria war es ganz eng um die Brust, sie bekam kaum Luft. Was war mit Jesus geschehen?
Irgendwann konnten sie nicht mehr laufen und gingen langsamer weiter. Aber sie gingen die ganze Nacht. Jerusalem war doch so groß und laut. Und Jesus war doch trotz allem noch so jung. „Bitte Gott“, flehte sie. „Allmächtiger, beschütze unser Kind.“
Gegen Morgen kamen sie in Jerusalem an. Zuerst gingen sie zu ihrem Quartier, in dem sie eine Woche gewohnt hatten, aber da war Jesus nicht. Hilflos standen Josef und Maria auf der Straße und beobachteten das bunte Treiben der vielen Menschen. Händler priesen lautstark ihre Waren an, römische Soldaten patrouillierten durch die Straße, Kinder liefen lachend an Maria vorbei. Wie sollten sie ihn finden? Wo sollten sie suchen? Ging es ihm gut? War ihm etwas passiert? War er verletzt? Oder… Sie wollte nicht weiterdenken.
Maria hatte große Angst. Mechanisch fingen sie an Jesus zu suchen. Und immer wieder betete sie: „Allmächtiger, beschütze Jesus. Lass ihn uns finden!“
Drei Tage suchten sie ihn. Drei lange Tage und Nächte ohne Ruhe und mit wenig Schlaf. Maria hatte rote, verweinte Augen, Josef war auch schon sehr verzweifelt.
„Maria, lass uns in den Tempel gehen“, meinte er schließlich mit schwacher Stimme. „Vielleicht ist Jesus dort. Und wenn nicht, dann können wir dort nochmal ausruhen und beten!“
Müde schleppten sie sich in den Tempel. Dort angekommen traute Josef seinen Augen nicht: Da saß Jesus zwischen den Gelehrten und unterhielt sich angeregt mit ihnen. „Maria!“, schrie Josef. „Maria, ich hab ihn gefunden!“ Maria drehte sich um, erblickte Jesus und stürzte mit einem Aufschrei zu ihm hin und drückte ihn an sich. „Wie konntest du nur?“, fragte sie unter Schluchzen. „Wieso hast du uns das angetan? Wir haben dich drei Tage lang verzweifelt gesucht!“ Jesus blickte erstaunt in Marias rote Augen. Dann sah er zu Josef, der mittlerweile neben ihnen stand und sah wie fertig auch dieser war. „Wieso habt ihr mich gesucht?“, fragte er langsam. „Habt ihr nicht gewusst, dass ich im Haus meines Vaters sein muss. Hier hättet ihr mich gleich gefunden.“ - „Was fällt dir ein?“, polterte Josef los. Dann aber fiel ihm ein, dass er ja im Tempel war. „Deine Mutter und ich haben uns große Sorgen um dich gemacht“, fuhr er ruhiger fort. „Was soll das heißen, dass wir dich hier gleich gefunden hätten? Du hättest sofort mit heim gehen sollen.“ Jesus sah ihn traurig an. „Ich hab die Zeit übersehen“, meinte er leise. Maria legte beschwichtigend die Hand auf Josefs Arm. „Wir haben ihn wieder. Das zählt jetzt als erstes. Wir haben auf dem Heimweg genug Zeit, um über alles zu reden.“
Sie bedankten sich bei den Gelehrten und machten sich auf den Weg nach Nazareth. Jesus ging mit ihnen und war ihnen ein gehorsamer Sohn. Er wurde älter und alle hatten ihre Freude an ihm.
Maria aber bewahrte seine Worte, die er im Tempel zu ihr gesagt hatte in ihrem Herzen